Event - Instytut Pileckiego

11.03.2025 (Tue) 10:00

Wie schon bei den vorherigen Ausgaben von Café Kyiv sind wir auch diesmal mit mehreren Veranstaltungen vertreten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist so weit: Europe’s most outstanding event on Ukraine klopft an die Türe – eine Einladung zur intellektuellen Mobilisierung, ein Forum für den gehobenen künstlerischen Austausch und ein Plädoyer gegen politische Indifferenz und Apathie. Wie schon bei den vorherigen Ausgaben von Café Kyiv sind wir auch diesmal mit mehreren Veranstaltungen vertreten.

Die freien Plätze sind begrenzt, das Interesse – glücklicherweise! – wieder sehr groß. Daher empfehlen wir, sich schnell anzumelden: Hier geht’s zur Anmeldung

Eröffnet wird die diesjährige Edition von Eva Yakubovska, die am Pilecki-Institut als Kuratorin tätig ist und zudem mit einer eigenen Veranstaltung vertreten sein wird. Gleich zwei Beiträge steuert auch Natalia Latecka bei - sie verantwortet die Bereiche Digitalisierung und internationale Archivzusammenarbeit.

Zudem möchten wir auf eine Filmvorführung des preisgekrönten Dokumentarfilms Zinema hinweisen.  Wir erwähnen die Veranstaltung hier, da das Pilecki-Institut Berlin an der Entstehung des Films beteiligt war. Weitere Informationen dazu finden Sie unten.

Wichtig: Für die Veranstaltung zum Holodomor stehen insgesamt 60 Übersetzungssets (Ukr./Dt.) zur Verfügung. Wer eines benötigt, sollte früh kommen.

 

Programmübersicht

Holodomor – eine bittere Lehre für Europa
Ukrainische Archivarinnen berichten über ihre Arbeit – eine Veranstaltung aus der Reihe Festung Archiv Ukraine.

11. März | 12:30–13:15 | Kino 6 oder 7

Es sprechen:

  • Kateryna Bourdovalis
  • Diana Bandyrska
  • Moderation: Dr. Gerhard Gnauck

Besatzung, Befreiung, Bestandserhaltung
Die Staatsarchive der Region Cherson und die Bewahrung des historischen Erbes der Ukraine.

11. März | 15:00–15:45 | Kino 6 oder 7

Es sprechen:

  • Iryna Lopushynska
  • Andryi Portnov
  • Natalia Latecka
  • Moderation: Wadim Lisovenko

Dekolonisierung des Widerstands
Wassyl Stus in Dialogen und Versen – eine Begleitveranstaltung zur Stus-Ausstellung.

11. März | 20:00–20:45 | Kino 5

Es diskutieren:

  • Joe Chialo
  • Tanja Maljartschuk
  • Iryna Bondas
  • Mateusz Fałkowski

Filmvorführung "Zinema"

11. März | 19:15 | Veranstaltungsort folgt

Der preisgekrönte Dokumentarfilm wird von den Veranstaltern noch näher angekündigt. Unten finden Sie mehr Informationen zu dem Film.

"Holodomor – eine bittere Lehre für Europa. Ukrainische Archivarinnen berichten über ihre Arbeit"

Eine Veranstaltung der Reihe Festung Archiv Ukraine mit:

Kateryna Bourdovalis (Direktorin des Staatsarchivs der Region Chmelnyzkyj)

Diana Bandyrska (Hauptexpertin der Abteilung Organisation und Analytik beim Staatsarchiv der Region Chmelnyzkyj)

Dr. Gerhard Gnauck (Historiker, Journalist, Forscher am Mykola-Haievoi-Zentrum für moderne Geschichte. 2018–2024 Ukraine-Korrespondent der FAZ).

Organisierende und Partner: Pilecki-Institut Berlin, Bundesarchiv und das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften

„Vielleicht das klassische Beispiel für den sowjetischen Völkermord, das längste und umfassendste Experiment der Russifizierung – die Zerstörung der ukrainischen Nation“, schrieb der polnisch-jüdische Jurist und Mitverfasser der UN-Völkermordkonvention Raphael Lemkin. Der Holodomor zählt zu den schlimmsten Hungersnöten des 20. Jahrhunderts und bleibt bis heute ein Mahnmal für den Genozid an der ukrainischen Nation.

Durch eine gezielt herbeigeführte Hungersnot, verursacht durch drastisch erhöhte Getreideabgaben und die Schließung der sowjetischen Grenzen für Hungerflüchtlinge, „Schwarze Listen“ gegen protestierende „konterrevolutionäre Petljura-Elemente“ sowie Konfiszierungen von Haushaltsgegenständen und versteckten Lebensmitteln, sollte der Ukraine als eigenständigem Subjekt – ihrer Kultur, Sprache, Identität, ihrem Widerstandswillen und ihrem Streben nach Eigenstaatlichkeit – ein für alle Mal ein Ende gesetzt werden.

Wie viele Opfer der Holodomor genau forderte, ist weiterhin unbekannt. Historiker nennen unterschiedliche Zahlen zwischen vier und zehn Millionen, während die offizielle Schätzung bei 3,9 Millionen liegt. Am vierten Samstag im November gedenkt die Ukraine jährlich der Opfer des Holodomor der Jahre 1921–1923, 1932–1933 und 1946–1947. Die Jahre 1932–1933 markieren dabei die grausamste Phase mit der höchsten Opferzahl.

Die Sowjetunion verfolgte nicht nur das Ziel, die ukrainische Identität, sondern auch die Erinnerung an diese tragischen Ereignisse auszulöschen. Über den Holodomor wurde jahrzehntelang kaum gesprochen, sodass viele historische Dokumente verborgen blieben. Es ist an der Zeit, dies zu ändern!

Neue Archivfunde: EInblicke in historische Dokumente

Kateryna Bourdovalis und Diana Bandyrska präsentieren in dieser Veranstaltung bislang unbekannte Quellen aus dem Archiv der Region Chmelnyzkyj und gewähren exklusive Einblicke in die Arbeit ukrainischer Archivarinnen.  

In einem Gespräch mit Dr. Gerhard Gnauck diskutieren sie über die Bedeutung dieser Dokumente für das heutige Verständnis des Holodomor – nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas.

Unter den vorgestellten Quellen befinden sich erschütternde Berichte aus dem Jahr 1933, die eindrucksvoll die katastrophalen Zustände dokumentieren:

  • Behördliche Notizen über extreme Lebensmittelknappheit und hungernde Menschen
  • Listen hilfsbedürftiger Familien und Berichte über Massensterben
  • Dokumente über Proteste von Kolchosbauern, die Brot forderten und die Arbeit verweigerten
  • Einträge zur wachsenden Kriminalität und Selbstjustiz infolge der Hungersnot
  • Nachweise über Kannibalismus – inklusive Verhaftungen durch die damaligen Behörden

Festung Archiv Ukraine - Schutz und Aufarbeitung historischer Quellen

Die Veranstaltung ist Teil des Programms „Festung Archiv Ukraine“, einer Kooperation zwischen dem Pilecki-Institut, dem Bundesarchiv und dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2023 fördert dieses Programm den fachlichen Austausch zwischen ukrainischen, polnischen und deutschen Archiven sowie die Popularisierung wertvoller historischer Sammlungen. 

Vergangene Veranstaltungen aus dieser Reihe können hier nachgeschaut werden: Aufzeichnungen auf YouTube.

Besatzung, Befreiung, Bestandserhaltung. Die Staatsarchive der Region Cherson und die Bewahrung des historischen Erbes der Ukraine. 

Über die Bedeutung von Geschichte im Kontext des Angriffskrieges sowie über die Bemühungen der Archivare, ihre Bestände zu sichern, sprechen wir mit:

Andrii Portnov (Direktor des Viadrina Centre of Polish and Ukrainian Studies)

Iryna Lopushynska (Direktorin des Staatlichen Archivs der Region Cherson)

Natalia Latecka (zuständig für Digitalisierung und Zusammenarbeit mit internationalen Archiven am Pilecki-Institut Berlin).

Die Veranstaltung wurde zusammen mit der Konrad-Adenauer- Stiftung organisiert. 

Cherson – ein Stadtname, der vom altgriechischen Wort für Halbinsel abgeleitet ist und mittlerweile zahlreiche Bilder in den Köpfen vieler Europäer hervorruft. In den ersten Tagen der umfassenden Großinvasion Russlands war Cherson Schauplatz intensiver Gefechte zwischen russischen und ukrainischen Einheiten. Im März 2022 wurde die Stadt dann von Russland eingenommen und symbolisierte bis in den Sommer hinein eine düstere Vorahnung über den kurzfristigen weiteren Kriegsverlauf. Doch das Blatt wendete sich, als am 11. November 2022 ukrainische Truppen die Stadt befreiten. Die weltweit gezeigten Bilder von jubelnden Einwohnern wirken bis heute als Zeichen der Hoffnung.

Dennoch bleibt das Leben in Cherson schwierig: Fortwährender Beschuss und die Überflutungen, die durch die Zerstörung der Kachowka-Stauanlage verursacht wurden, stellen die Stadt bis heute vor große Herausforderungen. Inmitten der Besatzung und der späteren Befreiung war das Schicksal der Archive ungewiss – sie mussten geschützt, gerettet oder evakuiert werden. Ihre Bestände erzählen die lang zurückreichende Geschichte der Region. während die Erfahrungen ihrer Mitarbeiter die jüngsten historischen Gegebenheiten verkörpern. Die Archivare arbeiten mit Hochdruck daran, die Dokumente zu retten und zu digitalisieren. Doch Personalmangel, Finanzierungsprobleme, fehlende Ausstattung und Kriegsschäden erschweren die Arbeit massiv.

Das Schicksal Chersons steht exemplarisch für den Überlebenskampf der Ukraine gegen die Zerstörung ihres historischen und kulturellen Erbes. Als Begründung für seinen Angriffskrieg versucht Russland, der Ukraine ihre Identität als souveräne Nation abzusprechen. Die gezielte Zerstörung von Archiven ist dementsprechend Teil der russischen Kriegsführung. Denn Archive bewahren die Zeugnisse, auf denen wissenschaftliche Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur fußen. Diese Entwicklungen wecken historische Assoziationen mit dem Zweiten Weltkrieg, als die deutsche Besatzungsmacht die Zerstörung polnischer Archive anvisierte.

Dekolonisierung des Widerstands. Wassyl Stus in Dialogen und Versen 

Eine Diskussion mit:

Tatjana Maljartschuk (ukrainische Schriftstellerin und Essayistin, 2018 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet)

Iryna Bondas (renommierte Übersetzerin, unter anderem der vom Pilecki-Institut herausgegebenen Stus-Gedichte) 

Joe Chialo (Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt)

Mateusz Fałkowski (stellvertretender Leiter des Pilecki-Instituts Berlin)

Wie lesen wir Wassyl Stus heute? Seine unter den brutalen Bedingungen sowjetischer Arbeitslager verfassten Gedichte sind ein kraftvolles Zeugnis von Widerstand, Würde und dem Kampf um die Wahrheit. Dennoch wurde sein Erbe lange Zeit von russischen imperialistischen Narrativen überschattet, die ukrainische Dissidenten zum Schweigen bringen und sich aneignen wollten. Diese Veranstaltung widmet sich Stus‘ Werk neu und bietet Raum, um über seine literarische und politische Bedeutung im Kontext breiterer Dissidentenbewegungen nachzudenken.

Der Abend beginnt mit Live-Lesungen von Vasyl Stus‘ Gedichten, die vom Pilecki-Institut Berlin neu ins Deutsche übersetzt wurden. Schriftsteller und Kulturschaffende aus Deutschland, der Ukraine und Polen werden seine Worte zum Leben erwecken und seinen poetischen Widerstand und seinen unermüdlichen Kampf für die Wahrheit hervorheben. Im Anschluss an die Lesungen wird in einer Diskussion untersucht, wie ukrainische und polnische Dissidentenperspektiven in Deutschland dargestellt, verstanden und manchmal marginalisiert wurden. Das Gespräch wird sich damit befassen, wie koloniale Narrative die Wahrnehmung osteuropäischer Widerstandsbewegungen geprägt haben und wie diese Stimmen im zeitgenössischen Diskurs wiedergewonnen werden können.

Letztes Jahr wurde der Film Zinema beim renommierten Internationalen Filmfestival von Odesa ausgezeichnet – nun wird er endlich auch einem breiteren deutschen Publikum vorgestellt: der Dokumentarfilm Zinema von Korniy Hrytsiuk, der mit unserer Unterstützung entstanden ist.

Zahlreiche Texte und Bücher haben bereits dargelegt, warum die Bezeichnung „Putins Krieg“ die tieferen Hintergründe des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nur unzureichend erfasst. Die Vorstellung des Russki Mir sowie die völlige Ablehnung der Ukraine als eigenständiges Land, als Kultur und als Nation – zwei ideologische Grundpfeiler dieses Krieges – wurden der russischen Gesellschaft über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hinweg, eingeimpft und tief in ihrem kollektiven Gedächtnis verankert.

In seinem neuesten Dokumentarfilm zeigt Korniy Hrytsiuk, wie imperialistische Denkstrukturen, Xenophobie und Chauvinismus seit den 1990er-Jahren feste Bestandteile des russischen Kinos sind. Da die enge Verbindung zwischen Kultur und russischem Großmachtdenken in weiten Teilen des Westens noch immer nicht zur Kenntnis genommen oder bewusst verdrängt wird, war es uns ein besonderes Anliegen, den Entstehungsprozess dieses Films zu unterstützen.

Bereits zuvor hatten wir in unseren Räumlichkeiten Hrytsiuks Film Eurodonbass gezeigt – eine Dokumentation darüber, wie die sowjetischen Machthaber die Geschichte des Donbass umschrieben, um die europäische wirtschaftliche Verwurzelung der Region zu verschleiern und das sowjetische Machtsystem zu legitimieren

„Der Saal war prall gefüllt, und die Zuschauer diskutierten nach der Vorführung mehr als eine Stunde lang. Das kommt selbst bei diesem Filmfestival nicht sehr häufig vor“, gab das Filmteam nach der Vorführung von "Zinema" beim Internationalen Filmfestival von Odesa zu Protokoll.

Korniy Hrytsiuk ist ein ukrainischer Regisseur und Drehbuchautor. Zu seinen Werken gehören unter anderem die Dokumentarfilme Eurodonbass (2023) und The Train: Kyiv-War (2020) sowie die erste ukrainische Mockumentary 20/20 Deserted Country (2018). Er hat an zahlreichen internationalen Filmfestivals teilgenommen, darunter Hot Docs (Kanada), Molodist (Ukraine), Artdocfest (Lettland), das FilmFestival Cottbus (Deutschland) und Man in Danger (Polen).