Abschied aus Europa - Instytut Pileckiego

08.11.2023 () 19:00

Abschied aus Europa

Ein Buchgespräch über Andrzej Bobkowskis "Hinter dem Wendekreis: Aus dem Journal eines polnischen Kosmopoliten"

"Abschied aus Europa" - ein Buchgespräch über Andrzej Bobkowskis "Hinter dem Wendekreis: Aus dem Journal eines polnischen Kosmopoliten"

"Aus dem Journal eines polnischen Kosmpoliten" heißt es im Untertitel des Sammelbandes "Hinter dem Wendekreis", der Texte des polnischen Schriftstellers Andrzej Bobkowski versammelt und dieses Jahr im Verlag "Die andere Bibliothek" erschienen ist.

Bobkowski: Ein Weltenbummler, Einzelgänger, Europäer, scharfsinniger Beobachter des Alltags, ein Intellektueller, der mit abgehobenem Intellektuellensprech ebenso wenig anzufangen wusste wie mit den politischen Verirrungen vieler Intellektueller im 20. Jahrhundert.  

08.11.2023, 19.00 | Pariser Platz 4A, 10117 Berlin | Anmeldung: https://forms.gle/rMG2q5A2WuUSiWSo8

Es diskutieren:

  • Ron Mieczkowski (Übersetzer des Buchs)
  • Mateusz Falkowski

Verlag: "Die andere Bibliothek" 


Bobkowski in Guatemala

Abgesehen von der literarisch hochwertigen Qualität seiner Werke, sind in diesem Kontext auch seine Beobachtungen aus Guatemala, in welches er, enttäuscht vom Europa, das seine Identität im Krieg verlor, 1949 ausreiste, höchst interessant. Gilt Jacobo Arbenz heute vielen als sozialdemokratischer Reformer, dessen von der CIA unterstützte Sturz und der in Folge dessen ausgelöste Bürgerkrieg zu den Schwerstsünden der amerikanischen Außenpolitik gehört, war Bobkowski da anderer Meinung. Er meinte, die Frühphase eines autoritären sozialistischen Regimes erkannt zu haben, das wenig bis nichts mit moderaten sozialdemokratischen Reformen am Hut hatte.

In Guatemala gründet Andrze Bobkowski eine Werkstatt und ein Geschäft für Flugzeugmodellartikel. Es bedurfte sechs Jahre "fürchterlicher Maloche", damit Bobkowski einigermaßen über die Runden kam und in Guatemala kein, wie er es ausdrückte, "wir und Ihr" mehr wahrnahm. Eine schillernder, aufsehenerregender Autor, dessen Werke auch heute noch höchst lesenswert sind.

Jacobo Arbenz

Aus dem Klappentext: 

"Freiheit, Individualismus, Tatendrang und Pioniermut sind Bobkowskis Themen. Seine Bücher sind klandestine Hauptwerke der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Die versammelten Texte des Schriftstellers, Individualisten, Fahrradenthusiasten und Modellflugzeugkonstrukteurs Andrzej Bobkowski (1913–1961) zeigen in Erzählungen und Reiseberichten vor allem aus den 1940er­Jahren ein langsames Abschiednehmen eines Emigranten von Europa: Bobkowski erlebte den Zweiten Weltkrieg in Frankreich und findet sich in der Nachkriegswirklichkeit des Kalten Krieges und der Blöcke nicht zurecht.

Er arbeitet in Paris in einer Fahrradwerkstatt, reist ins Baskenland, nach Lourdes und mit dem Fahrrad entlang der Côte d’Azur, von wo er mit seiner Frau mit einem Schiff über den Atlantik setzt: Südamerika ist das Ziel, mit Guatemala als dem unbekannten Endpunkt ihrer Auswanderung. Dort wird er in einer Spielzeugfabrik arbeiten, sich den Bau von Modellflugzeugen autodidaktisch erschließen und ein Geschäft mit Aeromodellen eröffnen."

Bobkowski mit seiner Frau in Guatemala

Bobkowskis Texte zeichnet eine Unmittelbarkeit des Erlebens aus, eine hohe Aufmerksamkeit für Alltagsszenen, in denen sich ihm der Geisteszustand des »alten« Europa zeigt, eine ungezwungene Gelehrsamkeit ohne Intellektuellenanspruch. Der Blick eines Reisejournalisten (der er tatsächlich nie war) erinnert an einen um zwanzig Jahre verspäteten Joseph Roth. Das Gefühl der Unbehaustheit teilt er mit den Emigranten und Flüchtenden zu allen Zeiten. An sie richten sich seine Sätze. Bei Andrzej Bobkowski wird der Auswanderer zum Reisenden, der der Verheißung hinterherfährt.

Bobkowski in seiner Werkstatt und Geschäft in Guatemala