Gedenkkonzert von Adam Bałdych - Instytut Pileckiego
25.09.2024 () 19:30
Gedenkkonzert von Adam Bałdych
Zum 85. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs und 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands in der St. Elisabethkirche.
Gedenkkonzert von Adam Bałdych zum 85. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs und 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands in der St. Elisabethkirche:
25.09.2024, 19.30 | St. Elisabeth Kirche, Invalidenstr. 3, 10115 Berlin
Tickets: https://www.eventim.de/.../adam-baldych-quintett-3698865/...
Die komplette Pressemitteilung finden Sie hier.
Konzertmoderation: Liane Bednarz (Publizistin und promovierte Juristin mit dem Schwerpunkt Neue Rechte, Populismus und religiöse Bewegungen. Sie hat zahlreiche Texte in diversen Medien (SPIEGEL, ZEIT, Tagesspiegel etc.) publiziert; ist Kolumnistin der Heinrich-Böll-Stiftung („Heimat.Kolumne“) und betreibt gemeinsam mit dem Publizisten Alan Posener den Blog „Starke Meinungen“.)
Auf Einladung des Pilecki-Instituts kommt der internationale Jazzstar, polnische „Renaissance-Violinist“ und Komponist Adam Bałdych mit seinem Quintett am 25. September in die St. Elisabethkirche in Berlin, um Stücke aus seinem bald erscheinenden neuen Album „Porträts“ vorzuspielen.
Bałdych verarbeitet musikalisch den Zustand der heutigen Welt und die fragile Conditio Humana der Gegenwart. Eine seiner Inspirationsquellen war die Lektüre der Archive des Pilecki-Instituts und die darin enthaltenen Zeugnisse von ergreifenden Schicksalen in einem totalitären Zeitalter.
Zwei runde Jahrestage, die zeigen, wie unterschiedlich in Europa an das 20. Jahrhundert erinnert wird: Der 01.09.1939 und der 01.08.1944, die Jahrestage des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und des Warschauer Aufstands, sind aus dem polnischen kollektiven Gedächtnis nicht wegzudenken. Ganz anders hingegen im restlichen Europa, wo sie im besten Falle weiße Flecken des öffentlichen Erinnerungsmosaiks darstellen.
Diese beiden Jahrestage nimmt sich das Pilecki-Institut nun zum Anlass, um an die Schrecken des Krieges zu erinnern, auf die Bedeutung des interkulturellen Dialogs sowie der Forschung in diesem Gebiet aufmerksam zu machen und zugleich aus dem 20. Jahrhundert auch eine kleine Prise Hoffnung zu schöpfen. Dafür hat das Kultur- und Forschungsinstitut den Violinisten Adam Bałdych eingeladen:
Sein bald erscheinendes Album wurde vom Pilecki-Institut mit initiiert, um neue emotionale Zugänge zur Thematik der Geschichtsvermittlung sowie Vergangenheitsbewältigung zu erschließen. Dazu zählt auch der Beitrag, den Geschichte für die moderne Kunst leisten kann: Schließlich wurde Bałdychs Album „Porträts“ inspiriert von Zeitzeugenstimmen und Schicksalen, die der Künstler über die Lektüre von Archiven, darunter der Archivbestände des Pilecki-Instituts, und eigenen Recherchen/Untersuchungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts in Erfahrung bringen konnte.
Adam Bałdys neustes Werk ist ein Versuch, zeitdiagnostische Stimmungen und Beobachtungen einzufangen, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. Deswegen sinniert Bałdych mittels Emotionen und Klängen über die Welt um uns herum und zeichnet ein Bild unserer Zeit sowie der heutigen Menschen, die geplagt von ständiger Hektik, Chaos und Unruhe, ständig moralischen Dilemmata ausgesetzt sind.
Um die Gegenwart zu verstehen, geht Bałdych in die Vergangenheit zurück und wirft einen tiefen Blick in das Buch „Musik in Auschwitz“ des Komponisten Szymon Laks, das 1967 veröffentlicht wurde und analysiert etliche Archivmaterialien: Briefe, Fotos und Lagerliteratur aus dem KZ Auschwitz-Birkenau. Bałdych geht tiefsinnigen Fragen nach: Worin besteht die menschliche Natur? Was bedeutet es heute, glücklich zu sein? Was bedeutet es überhaupt: zu sein? Wie definieren wir Freiheit und wie drücken wir sie in der Kunst aus?
Ausgehend von diesem personengeschichtlichen und philosophischen Ansatz lassen sich auch die großen Linien der polnischen Geschichte erfassen:
Das 20. Jahrhundert brachte zeitweise unermessliches Leid sowie Zerstörung über Polen, mündete dann aber im Sieg der Freiheit und Demokratie. Polens Mitgliedschaften in der Nato und der EU gelten heute als selbstverständlich, seine Bedeutung in diesen Organisationen als stets wachsend. Länder, die ehemals der polnischen Staatlichkeit feindlich gesinnt waren, gehören heute zu Polens Nachbarn, Freunden und Partnern.
Reflektierend, erinnernd, warnend und trotzdem auch noch hoffend tauchen Adam Bałdych und sein Quintett tief in die Geschichte ein. Eine wichtige Gelegenheit, die historischen Gegebenheiten vor 80 und 85 Jahren nochmals Revue passieren zu lassen.
Das Pilecki-Institut möchte mit den beiden Konzerten in erster Linie zum Nachdenken anregen: Was können wir aus den polnischen Erfahrungen 1939 und 1944 heute lernen, inwieweit fügen sie sich in die europäische Erinnerungskultur ein? Wie kann die historische Erinnerung in Polen das gesamteuropäische Geschichtsbewusstsein sensibilisieren, bereichern und schärfen?
Weil der Blick auf die Vergangenheit immer zugleich auch schon die Sicht auf die Gegenwart prägt, helfen Jahrestage dabei, neue Perspektiven auf Geschichte und neue Antworten auf Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu erschließen.
Hintergründe zum Zweiten Weltkrieg und Warschauer Aufstand
„Hallo, hallo, hier spricht Warschau. Heute Morgen um 5.40 Uhr haben deutsche Truppen die Grenze zu Polen überschritten. Jetzt also Krieg!“ ließ der polnische Rundfunk „Polskie Radio“ die Welt vor 85 Jahren wissen. Die Folge waren u.a. 60 Millionen Opfer insgesamt, darunter über 5 Millionen polnische Bürger (3 Millionen Juden). Für Polen bedeutete das 5 Jahre brutalster totalitärer Umwälzungen, Zerstörungen, Massenerschießungen, ein Zweifrontenkrieg gegen Nazi-Deutschland und die UdSSR, gezielte Vernichtungsaktionen gegen die polnische Intelligenz und Kultur insgesamt - aber auch ein unabdingbarer Freiheitsinstinkt und Widerstand, der häufig eine ebenso heroische als auch tragische Trajektorie annahm.
Daran wiederum erinnert der Jahrestag des Warschauer Aufstands und das Motto „Wir wollten frei sein und uns diese Freiheit selbst erkämpfen“. Es handelte sich um die größte bewaffnete Untergrundaktion im vom deutschen NS-Regime besetzten Europa, die am 1. August 1944 begann sowie am 2. Oktober 1944 endete. Ursprünglich sollte der Aufstand nur wenige Tage dauern, am Ende waren es aber mehr als zwei Monate. Nach dem Aufstand wurde die Stadt praktisch fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht.
In der polnischen Erinnerungskultur nimmt der Aufstand einen besonderen Platz ein, deckt gleich mehrere Spektren ab: Bewunderung, Inspiration, Tragik und Trauma. Und er wirkt auch wie eine stets wiederkehrende Mahnung: Freiheit gibt es nicht umsonst.
Ewige Fragen, schwierige Antworten
Aus dieser Perspektive wirken sowohl Frieden und Freiheit, aber auch Genozid, Angriffskriege und Totalitarismus, wie eine immerwährende Möglichkeit. Eine Erkenntnis, die im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht aktueller sein könnte. Deswegen gilt es mit dem Blick auf das 20. Jahrhundert Werte wie Freiheit, Mut, Solidarität wiederzuentdecken und daran zu erinnern, dass diese der Wertearchitektur zeitgenössischer Demokratie zugrunde liegen. Dies gilt gerade für die Reaktion der internationalen Öffentlichkeit auf den Angriffskrieg.
Über das Album „Porträts“ des Adam Bałdych Quintets: Eklektische und dennoch identitätsbewusste Musik
Die persönlichen Zeugnisse und Berichte von Menschen, die Adam Bałdych in Archiven aus dem 20. Jahrhundert entdeckte, waren der Stoff, aus dem die 15 Kompositionen des Albums Portraits entstanden sind. Das Resultat ist hochemotionale und doch konzeptionelle Musik, die wichtige Fragen stellt und sich an der Schnittstelle zwischen improvisierter und klassischer Musik bewegt. Es vermischen sich traditionelle polnische und jüdische Spuren, die einen Dialog zwischen Ästhetik und unterschiedlichen Kulturen bilden.
Für das Projekt "Porträts" lud Adam Bałdych wieder einmal tolle Künstler zur Zusammenarbeit ein: den Pianisten Sebastian Zawadzki, den Saxophonisten Marek Konarski, den Kontrabassisten Andrzej Święs und den Schlagzeuger Dawid Fortuna. Die meisten von ihnen haben bereits auf früheren Alben wie "Sacrum Profanum", "Legend" oder "Poetry" mit Bałdych zusammengearbeitet und auf diesem Wege den ursprünglichen, organischen Sound des Quintetts geprägt. Man hört es dem Album an: Die Musiker verstehen sich perfekt, spielen sich Gesten zu, entwickeln Ideen und fügen jeweils eigene, sich gegenseitig ergänzende Erzählstränge hinzu, aus denen sich das eigentliche zentrale Narrativ des Albums speist. Es herrscht Harmonie und Verständnis im Ensemble. In den dynamischsten und ausdrucksstärksten Passagen bereitet das Quintett den Boden für eine beredte Stille und arbeitet zudem die Nuancen seiner klanglichen Erkundungen heraus, vor allem auf der Renaissance-Violine oder dem Orchester-Schlagzeug.
Kari Sál und Piotr Odoszewski treten in dem Lied "Niebo złote ci otworzę" als Gastsänger auf, das auf einen Text von K.K. Baczyński zurückgeht und eine Hommage an die Warschauer Aufständischen darstellt.
Mehr zu Adam Bałdych
Adam Bałdych hat sich einen Namen gemacht als hervorragender Geiger, Komponist und Improvisator, der bislang fest angenommene physische Grenzen des Geigenspiels und Barrieren zwischen unterschiedlichen Genres gekonnt aufzulösen weiß.
Er ist zudem bekannt dafür, mit Künstlern aus der Welt der klassischen, improvisierten oder populären Musik in einen authentischen Dialog zu treten. Seit mehr als 10 Jahren arbeitet er kontinuierlich mit dem deutschen Verlag ACT zusammen.
Zu den zahlreichen Auszeichnungen und Preisen, mit denen er ausgezeichnet wurde, gehören u.a.: der Grand Prix und Einzelpreis des Festivals "Jazz an der Oder" (2006), ECHO Jazz und der Preis der deutschen Schallplattenkritik 2024. Er wurde mit dem Goldenen Verdienstkreuz, der Ehrenplakette "Verdienste um die polnische Kultur" und der Gloria Artis-Medaille ausgezeichnet. Dreimal wurde er für den Preis Koryfeusz Muzyki Polskiej als Persönlichkeit des Jahres nominiert.
„Adam Bałdych definiert das Konzept der Geigen neu“, schrieb der britische Guardian, die Süddeutsche Zeitung fügte hinzu: „Adam Bałdych demonstriert eindrucksvoll, welch aufregende musikalische Freiheit möglich ist, wenn man keine technischen Grenzen hat.“ BR Klassik attestierte dem Musiker„ einen faszinierenden Sinn für melancholische, dunkel-groovende Stimmungen“.
Als "Wunderkind der Violine" bezeichnet, begann er seine Karriere im Alter von 14 Jahren. Schnell wurde er für seine musikalische Innovationsfähigkeit geschätzt: In kurzer Zeit schuf er seinen eigenen Stil und steckte eine ganze Geiger-Generation mit seiner Improvisationsfreude an.
Seine Musik konnte Bałdych auf den wichtigsten Jazzfestivals der Welt und auf Konzerten in vielen Ländern vorspielen, darunter Polen, Deutschland, Südkorea, China, Japan, den Vereinigten Staaten, Kanada, Österreich, Island, Portugal, Aserbaidschan, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Finnland, Italien, Spanien und Indonesien.