Die Konspirantinnen - Instytut Pileckiego

01.08.2024 () 19:00

Die Konspirantinnen

Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands

Die Konspirantinnen: Filmvorführung und Reflexionsrunde mit dem Regisseur Paul Meyer zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands

01.08.2024, 19.00 | Pariser Platz 4A, 10117 Berlin | Anmeldung: https://forms.gle/KUMq3cvjMuaz2TVp7

Zusätzliche Veranstaltungshinweise:

Falls Ihnen der obige Veranstaltungstermin nicht zusagt, empfehlen wir die Filmvorführung am 15.08 im Polnischen Institut: https://www.berlin.de/.../filmpraesentation...

Außerdem findet am gleichen Tag um 16.45 auch eine Gedenkveranstaltung am Roten Rathaus statt: https://deutschpolnischeshaus.de/.../veranstal.../01-08-2024

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Die Konspirantinnen

Am 1. August 1944 begann um 17 Uhr der Warschauer Aufstand. In der größten bewaffneten Untergrundaktion im vom deutschen NS-Regime besetzten Europa, kämpften die Aufständischen insgesamt 63 Tage lang: gegen die deutsche Besatzungsmacht und für ein freies Polen, gemäß der Parole „Wir wollten frei sein und uns diese Freiheit selbst verdanken“, die der Vize-Ministerpräsident der polnischen Exilregierung Jan Stanisław Jankowski prägte. 

Die intellektuellen Inspirationsquellen dieser Freiheitsvorstellung waren vielerlei, eine wichtige Komponente stellte jedoch definitiv die Erfahrung eines freien Polens (1918 – 1939) in der Zwischenkriegszeit und der im vorausgegangene, von langer Hand vorbereitete Freiheitskampf. In besonderer Art und Weise galt das für die Frauen in Polen, denn die Einführung des Frauenwahlrechts war eine der frühsten Entscheidungen im wiedererlangten und zugleich neu errichteten, unabhängigen polnischen Staat. 

Der Dokumentarfilm „Die Konspirantinnen“ von Paul Meyer, den wir zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands zeigen, könnte deswegen fast schon wie eine Fortsetzung unserer Ausstellung „Doppelt Frei. Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Polen“ wirken. In der Ausstellung wurde gezeigt, wie sich unterschiedliche Frauenbewegungen in der Teilungszeit bildeten, zunächst unterschiedliche Reformvorschläge postulierten, um nach einem politischen Evolutionsprozess dann zur Waffe zu greifen in dem Bewusstsein, dass nur ein unabhängiger, eigener Staat die politische Subjektivierung vorantreiben kann. Und so kam es dann auch:

„Sie haben das Frauenwahlrecht nicht bekommen, sondern es sich erkämpft“ lautete die bekannten Worte des polnischen Staatsoberhaupts Józef Piłsudski kurz nach Einführung des Frauenwahlrechts in Polen. 

„Die Konspirantinnen“ greift diesen Leitfaden auf, spult die Geschichte vor und zeigt, wie diese mit einem solchen politischen Erfahrungshorizont ausgestatteten Frauen reagierten, als der gerade erst wiedererlangte eigene Staat existenziell bedroht war und sich im Zangengriff von zwei totalitären Regimen befand: Frauen kämpften in den Reihen aller polnischen Armeen - während der Besatzungszeit waren sie im Untergrund und an allen Kriegsfronten aktiv - sie waren Geheimdienstmitarbeiterinnen, Krankenschwestern, Verbindungsoffizierinnen, Soldaten und Offiziere. Sie organisierten geheimen Unterricht, um der deutschen Besatzung zum Trotz das polnische Bildungswesen am Leben zu erhalten, führten oft gefährliche Ablenkungsaktionen durch und wurden, genauso wie Männer, in Konzentrationslager geschickt, ins Gefängnis gebracht, gefoltert und ermordet.

In diesem so vielfältigen und beherzten Einsatz für die Freiheit spiegelte sich wider, dass die polnischen Frauen bereits zu diesem Zeitpunkt auf seinen sehr langen Kampf für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit und die politische Freiheit zurückblicken konnten und das Frauenwahlrecht für sie mittlerweile geradezu selbstverständlich war.

Ob im Rahmen des revolutionär-konspirativen Widerstands in der PPS, im polnischen Geheimdienst, in den Brigaden der polnischen Legionen oder im späteren Polnisch-Sowjetischen Krieg von 1920-21: Die polnischen Bürgerinnen waren stets an allen Fronten vertreten und leisteten einen immensen politisch-militärischen Beitrag.

Dieses auf den ersten Blick nicht offensichtliche Verhältnis zwischen politischer Willensbildung, der Ausdehnung politischer Grundrechte und der Teilnahme am bewaffneten Kampf ist ein Erbe der politischen Ideengeschichte der Antike, die besagte, dass nur jener oder jene über das Schicksal des eigenen Landes entscheiden könne, welcher/welche zugleich auch für dieses Land kämpfen und es verteidigen würde. Es ist auch ein polnisches Spezifikum, wodurch das typisch britische Erklärungsmuster – politische Emanzipation als Ausbreitung negativer und positiver Freiheiten – zu kurz greift. Die Emanzipation der Polinnen am Ende des 19. Jahrhunderts war ein fester, ja essenzieller Bestandteil des Kampfes um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens.

Dazu gehörte auch die Suche nach neuen Wegen, politische Freiheit im Sinne Hannah Arendts auszuüben, d.h. Politik im affirmativen, der-Handlung-zugewandten Miteinander.

Die aktive Aushandlung des tagtäglichen Miteinanders sollte auch aus heutiger Sicht selbstverständliche Grundrechte sichern, z.B. das Recht auf Bildung - all dies waren Vorstellungen und Ziele, ohne welche der Traum von der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens nach 123 Jahren der Teilungszeit und Besatzung undenkbar gewesen wäre.

Nach dem Ende des Warschauer Aufstands wurden die Polinnen, als erste Frauen in der Geschichte überhaupt, als geschützte Soldatinnen (nach der Genfer Konvention) anerkannt. Paul Meyers Film ist eine außergewöhnliche Geschichtsdokumentation, in welcher die hier beschriebenen Protagonistinnen ausführlich zu Wort kommen. Sie erzählen die Geschichte ihres Untergrundengagements und ihrer Teilnahme am Warschauer Aufstand. Auch ihr Schicksal in der Nachkriegszeit kommt nicht zu kurz.

Die Rolle der polnischen Frauen im Warschauer Aufstand, ihre Lebensgeschichten und ihre Erfahrungen im Nachkriegspolen stellen an sich schon höchst fruchtbare und erkenntnisreiche Themen dar, aber bei der Veranstaltung soll zusätzlich herausgearbeitet werden,  wie Frauen die Besatzung und Verbrechen des Dritten Reichs perzipiert, sich als eigenständige Subjekte wahrgenommen haben und aktiv Widerstand leisteten.

Eine wichtige politische Lektion – auch und gerade heute.

Ein früheres Gespräch mit dem Regisseur Paul Meyer: