Angst, Mut und Hoffnung: Dissidenten in Polen und der DDR - Instytut Pileckiego
02.10.2025 () 18:30
Angst, Mut und Hoffnung: Dissidenten in Polen und der DDR
Eine Diskussion mit Marko Martin, Piotr Niemczyk und Wolfgang Templin und Prof. Tytus Jaskułowski über Lehren für die Gegenwart

Dieses Jahr markierte den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs - ein Datum und Ereignis, das zugleich an den etwas später einsetzenden Beginn des Eisernen Vorhangs erinnert. Der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, ist wiederum einer der Jahrestage, die häufig symbolisch mit dem Ende der bipolaren Weltordnung des Kalten Krieges in Verbindung gebracht werden. Grund genug, an jene zu erinnern, die unter sehr unterschiedlichen Umständen den Mut zu Widerstand, Protest und Auflehnung gegen die kommunistischen Machthaber fanden und bis heute Nonkonformisten geblieben sind: an die freiheitlichen Dissidentenbewegungen in Osteuropa, hier mit Blick auf Polen und die DDR.
"Angst, Mut und Hoffnung: Dissidenten in Polen und der DDR – Lehren für heute". Eine Diskussion mit Marko Martin, Piotr Niemczyk und Wolfgang Templin, die von Prof. Tytus Jaskułowski moderiert wird.
02.10, 18.30 | Pariser Platz 4A, 10117 Berlin | Anmeldung: https://forms.gle/72tzkEbkxiUk1koo9

Über Ereignisse, Organisationen, Proteste und Aufstände ist heute vieles bekannt, auch zahlreiche Biographien von Dissidenten liegen vor. Weniger sichtbar bleibt jedoch die andere Seite des Widerstands: die oft ausweglosen Dilemmata, persönliche Krisen und die Frage, was die Einzelnen trotz Rückschlägen weitertrug. Was treibt Menschen zu extremen Entscheidungen? Welche Rolle spielen Umfeld, Freundschaften und Familie, wenn es um die Kraft zum Durchhalten oder das Eingeständnis eigenen Scheiterns geht

Neben dieser bislang unterbelichteten existenziellen Dimension eröffnet der ostdeutsche und polnische Hintergrund der Diskutanten auch den Blick auf die grenzüberschreitende Dimension des Dissidententums im Ostblock. Die Opposition in Osteuropa war nicht nur national, sondern zugleich systemisch und international. In der DDR machten Oppositionelle 1980/81 mit Parolen wie „Lernt Polnisch“ darauf aufmerksam, dass die Freiheitsbewegung in Polen auch für sie selbst Vorbild und Hoffnung sein konnte. Im legendären Aufruf von 1981 sicherte Solidarność allen Arbeitern Osteuropas ihre Unterstützung zu. Viele – darunter die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel – sehen in der Entstehung von Solidarność den eigentlichen Beginn des Mauerfalls.

Die Panelisten kennen sich seit Jahrzehnten und haben gemeinsame wie getrennte Wege in Solidarität und Kritik verfolgt. Dadurch können sie all diese Dimensionen abdecken und die großen Begriffe von Unabhängigkeit, Souveränität und Demokratie auf persönliche Weise buchstabieren – und ihre heutige Bedeutung zur Diskussion stellen.
Das Leben von Witold Pilecki, dem Namensgeber des Instituts, steht exemplarisch für Erfahrungen von Grenzsituationen unter Gewaltsystemen. Die Veranstaltung ist zugleich als Ankündigung einer künftigen Reihe zu verstehen: „Witold Pileckis Zivilcourage: Eine Herausforderung für heute“. Mehr Informationen in Kürze.
Mehr über die Panelisten:
Piotr Niemczyk
Oppositionsaktivist und politischer Gefangener in der kommunistischen Volksrepublik Polen, Mitbegründer der Bewegung „Freiheit und Frieden“ (1985), zuvor Drucker und Journalist der Untergrundzeitung Tygodnik Mazowsze. Nach 1989 war er einer der zentralen Architekten der polnischen Geheimdienste im freien Polen: Er wurde erster Direktor des Analyse- und Informationsbüros im neu gegründeten Amt für Staatsschutz (UOP) und später stellvertretender Direktor des Auslandsnachrichtendienstes. Heute ist er Hochschullehrer, Journalist, Publizist und Autor mehrerer Bücher über Geheimdienste und politische Kultur in Polen.
Wolfgang Templin
Geb. 1948, Philosoph, Publizist und Bürgerrechtler. Seit den 1970er Jahren in der DDR-Opposition aktiv, 1983 Mitbegründer der „Initiative für Frieden und Menschenrechte“, einer der ersten unabhängigen Gruppen der DDR. Nach 1989 Mitgründer von Bündnis 90, später Stiftungsleiter und Publizist zu deutsch-polnischen und osteuropäischen Themen. Templin gilt als eine der prägenden intellektuellen Stimmen der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung.
Marko Martin
Geb. 1970, verließ im Mai 1989 als Totalverweigerer der Wehrpflicht die DDR. Lebt heute, sofern nicht auf Reisen, als freier Schriftsteller in Berlin. Bekannt durch literarische Tagebücher aus Tel Aviv, Havanna und Hongkong sowie die Erzählbände Schlafende Hunde und Die Nacht von San Salvador. Mit Dissidentisches Denken (2019) und Brauchen wir Ketzer? (Arco Verlag) veröffentlichte er Essays über die intellektuellen Erbschaften der Dissidenz. Jüngste Bücher sind Die verdrängte Zeit (2020), Die letzten Tage von Hongkong (2021) und Es geschieht jetzt (2024).
Prof. Tytus Jaskułowski (Moderator)
Professor für Zeitgeschichte an der Universität Zielona Góra. Zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut in Dresden mit Forschungsschwerpunkt auf der Zusammenarbeit zwischen dem MfS der DDR und dem polnischen Geheimdienst (1970–1990). Seine Arbeiten widmen sich den deutsch-polnischen Beziehungen im Kalten Krieg und den transnationalen Strukturen von Geheimdiensten und Opposition.