Ukrainische Gedichte als Antwort auf den russischen Angriffskrieg - Instytut Pileckiego
08.12.2025 () 18:30
Ukrainische Gedichte als Antwort auf den russischen Angriffskrieg
"Glaub an dich, auch am dunkelsten Ort"
Das Jahr 2025 neigt sich dem Ende zu – ein weiteres Jahr des fortgesetzten russischen Angriffs auf die Ukraine, der unzureichenden internationalen Unterstützung, vermeintlicher (Diktat-)"Friedenspläne" und einer öffentlichen Debatte, in der ukrainische Stimmen noch immer zu selten direkt zu Wort kommen.
Gerade in solchen Momenten wachsender Gleichgültigkeit, die sowohl unredlich als auch gegen die eigenen Interessen des Westens gerichtet ist, braucht es journalistische und historische Einordnung ebenso wie künstlerische Formen, die die Realität des Krieges sichtbar machen und kognitive Komfortzonen durchbrechen. Unsere nächste Veranstaltung widmet sich deswegen Gedichten ukrainischer Lyrikerinnen und Lyriker, die nach der großangelegten Invasion entstanden sind – vorgetragen von Olena Piekh und Elwira Niewiera. Die Lesung richtet sich insbesondere auf das Schicksal ukrainischer Frauen, die unter Kriegsverbrechen gelitten haben und weiterhin leiden.
"Glaub an dich, auch am dunkelsten Ort" - Ukrainische Gedichte als Antwort auf den russischen Angriffskrieg
08.12, 18:30 | Pariser Platz 4A, 10117 Berlin | Anmeldung: https://forms.gle/VxcwVYWypqFdBmD46
Olena Piekh ist Kunstkuratorin aus Donbas und hat sechs Jahre russische Gefangenschaft überlebt. In dieser Zeit schrieb sie eigene Gedichte, die ihr die Kraft gaben, diese grauenvolle Zeit zu überstehen. 2024 kam sie durch einen Gefangenenaustausch frei. Ihre Lebensgeschichte wurde in den vergangenen Jahren international aufgegriffen, und nicht zuletzt dank des Engagements vieler Menschen wurde schließlich ihre Freilassung möglich. Ihre Tochter Izabella arbeitete unter anderem eng mit dem Lemkin-Dokumentationszentrum zusammen, das am Pilecki-Institut wenige Tage nach der vollumfassenden Invasion eingerichtet wurde. Das Pilecki-Institut hatte die dramatische Lage bereits Anfang 2024 in dem international rezipierten Bericht „Sexuelle Gewalt als Waffe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ öffentlich gemacht. Wir haben zu dem Zeitpunkt eine eigene Pressemitteilung dazu veröffentlicht mit deutlich mehr Details - Sie finden sie in der Originalfassung unten.
Elwira Niewiera ist Filmregisseurin und Gründerin des Vereins Existentia e.V., der Zivilisten in den umkämpften Gebieten humanitär unterstützt und Frauen Zugang zu Traumatherapieprogrammen ermöglicht. Musikalisch begleitet wird der Abend von Olga Prykhodko und ihrem Vokalensemble Kammertòn, die Werke der ukrainischen Komponistin Victoria Poljowa aufführen.
02.07.2024
Endlich frei: Die bewegende Geschichte von Olena Piekh, die am vergangenen Samstag aus russischer Gefangenschaft entlassen wurde.
„Diese erschütternde Geschichte mit einem glücklichen Ausgang zeigt, wie wichtig es ist, Druck auf Russland auszuüben und – noch mehr – international das Bewusstsein für die Realität vor Ort und das Schicksal der Gefangenen in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten zu schärfen“, sagt Monika Andruszewska, polnische Journalistin, Reporterin und Mitarbeiterin des Lemkin-Dokumentationszentrums.
Diese Nachricht versetzte das gesamte Pilecki-Institut in Feierlaune. Erst vor gut einem Jahr war Olena Piekhs Tochter Izabella auf Einladung des Pilecki-Instituts in Berlin bei der Konferenz „Rethinking Ukraine and Europe: New Challenges for Historians“ in Vilnius (September 2023) aufgetreten, was damals einige mediale Aufmerksamkeit erregte. Izabellas Schilderungen über die dramatische Lage ihrer Mutter, die von lokalen pro-russischen separatistischen Behörden inhaftiert worden war, fanden später Eingang in einen Sonderbericht des Lemkin-Dokumentationszentrums, der vom Pilecki-Institut erstellt und veröffentlicht wurde: „Sexuelle Gewalt als Waffe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“.
Bemerkenswert ist, dass dies die einzige Zeugenaussage im Bericht war, die nicht anonymisiert wurde – um die Öffentlichkeit maximal auf das Schicksal der gefangenen Frau aufmerksam zu machen. Der Bericht, der auf Aussagen von über 60 Zeuginnen basiert, die schwere Misshandlungen sowie sexuelle Gewalt durch Angehörige der russischen Besatzungstruppen erlebt oder beobachtet hatten, wurde im Februar in Warschau und in der Berliner Einrichtung des Pilecki-Instituts vorgestellt und erhielt breite internationale Medienresonanz.
Olena Piekh, Museumsforscherin und Expertin aus Gorlowka, war seit dem 9. August 2018 von den sogenannten „pro-russischen Separatisten“ im besetzten Teil des Gebiets Donezk gefangen gehalten worden. Als sie nach ihrer Freilassung erstmals seit sechs Jahren vom Flughafen Kyiv aus ihre geliebte Tochter anrufen konnte, war sie sichtlich und zutiefst bewegt – nach Jahren der Ungerechtigkeit, der Trennung und des körperlichen wie seelischen Leids, das ihr durch die lokalen pro-russischen Behörden zugefügt worden war.
Ihre Leidensgeschichte reicht bis ins Jahr 2014 zurück, als sie und ihre Tochter Donezk verließen und nach Odessa flohen, um der Verfolgung patriotischer Ukrainer zu entgehen. Zwei Jahre später erlitt jedoch Olenas Mutter einen Schlaganfall – weshalb Olena regelmäßig in die besetzten Gebiete zurückkehren musste, um nach ihr zu sehen. Bei einem dieser Aufenthalte wurde sie von lokalen pro-russischen Besatzungstruppen verhaftet und anschließend der Zusammenarbeit mit ukrainischen Behörden beschuldigt. Ein Gericht der international nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“ verurteilte sie in einem Schauprozess zu 13 Jahren Haft wegen „Verrats am Heimatland“ – obwohl Piekh betonte, dass ihr Heimatland die Ukraine sei, nicht Russland.
Was sie in diesen sechs Jahren erdulden musste, ist kaum vorstellbar: Sie wurde gefoltert, wiederholt in den Suizid getrieben und wegen ihrer jüdischen Herkunft gedemütigt und verfolgt. Man beschimpfte sie, warf ihr regelmäßig antisemitische Beleidigungen an den Kopf und schnitt ihr sogar ihre Davidstern-Halskette mit einem Messer vom Hals. „Auch ihre Tochter Izabella hat sechs Jahre lang in der Hölle gelebt. Ich habe in dieser Zeit ihren Kampf, ihre unzähligen Appelle, Treffen, Interviews und Bitten um Unterstützung miterlebt und teilweise begleitet. Und jetzt – endlich – ist es gelungen“, schrieb Monika Andruszewska wenige Stunden nach der Nachricht auf ihrem Facebook-Profil.
Viele Personen und Institutionen setzten alles daran, die Geschichte von Olena Piekh international bekannt zu machen, darunter Jerzy Halbersztadt, der erste Direktor des Museums der Geschichte der polnischen Juden, auf dessen Initiative der internationale Museumsrat ICOM aktiv wurde, sowie der Oberrabbiner von Polen, Michael Schudrich.
Monika Andruszewska fasst zusammen: „Diese grausame Geschichte mit einem glücklichen Ende zeigt, dass wir niemals die Hoffnung verlieren dürfen. Wir müssen weiterhin die internationale Gemeinschaft dazu aufrufen, Druck auf Russland auszuüben und nicht wegzusehen – das Schicksal der Gefangenen und die Realität in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten müssen sichtbar bleiben. Andernfalls wird es weitere schreckliche Geschichten geben, die jedoch meist kein gutes Ende nehmen werden. Jeder Beitrag, jeder Text, jede Konferenz und jedes Treffen hat zur Freilassung von Olena beigetragen. Wir danken allen Menschen guten Willens, die sich über die Jahre engagiert haben. Wir freuen uns mit Izabella und ihrer Mutter – und setzen gleichzeitig den Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit fort.“