Zum 79. Jahrestag des Wolhynien-Massakers - Instytut Pileckiego
Zum 79. Jahrestag des Wolhynien-Massakers
Am heutigen 79. Jahrestag gedenken wir der Opfer des Wolhynien-Massakers. Die Erinnerung daran schmerzt, die heutige Gedenkfeier zeigt hingegen, auf was für einem festen Boden die polnisch-ukrainischen Beziehungen mittlerweile stehen
            Am heutigen 79. Jahrestag gedenken wir der Opfer des Wolhynien-Massakers. Die Erinnerung daran sitzt tief und schmerzt, die heutige Gedenkfeier zeigt hingegen, auf was für einem festen Boden die polnisch-ukrainischen Beziehungen mittlerweile stehen: Zum ersten Mal nahm der ukrainische Botschafter in Polen Vasyl Zvarych offiziell im Namen von Präsident Wolodymyr Selenskyj an der Gedenkfeier teil und legte einen Kranz nieder.
Am 11. Juli wird in Polen der Nationale Gedenktag für die Opfer des Massakers von Wolhynien begangen: Ukrainische Nationalisten, in erster Linie die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und ihr militärischer Arm die Ukrainische Aufständische Armee (UPA), verübten einen Massenmord an den Bürgern der Zweiten Polnischen Republik in Ostpolen (in den Grenzen bis 1939). Das Datum wurde nicht zufällig gewählt und erinnert an den sog. Blutsonntag 1943, an welchem ca. 100 polnische Dörfer angegriffen wurden. Wohlwissend, dass sich die meisten Polen an diesem Tag in Kirchen aufhielten, haben die ukrainischen Nationalisten sie dort aufgesucht. Etwa 4000 Polen sind infolge dessen grausam zu Tode gekommen.
            Dabei handelte es sich bloß um die Spitze des Eisbergs: Im Rahmen des Massakers von Wolhynien haben ukrainische Nationalisten schätzungsweise insgesamt bis zu 100.000 Polen (40.000 – 60.000 in Wolhynien, 20.000 – 40.000 im umherliegenden Ostgalizien) ermordet. Die polnische Heimatarmee verübte bis Frühling 1945 mehrere Racheakte, welchen wiederum etwa 10.000 – 12.000 Ukrainer zum Opfer fielen. Nicht nur die Opferanzahl lässt jedem einen Schauer über den Rücken laufen, sondern die selbst für einen Krieg ungewöhnliche Bestialität der verübten Morde.
Häufig wurden Äxte, Beile, Spießer und Messer als Waffen verwendet, ganze Siedlungen in Brand gesetzt, Massenvergewaltigungen begangen und die Opfer zu Tode gefoltert. Der anerkannte polnische Historiker und Experte auf dem Gebiet Prof. Grzegorz Motyka ist zu folgendem Urteil gekommen: „Obwohl die sog. antipolnische Aktion einen Akt der ethnischen Säuberung darstellte, erfüllte sie auch die Kriterien eines Völkermords“.
            Erinnert werden muss jedoch auch an jene tapferen Ukrainer, welche sich in den damaligen absolut dramatischen historischen Gegebenheiten dazu entschieden haben, ihre Nachbarn unter Lebensgefahr zu warnen, zur Flucht zu verhelfen und ihr Leben zu retten.
„Nächste Nacht holen sie euch!“
Mychajło Susła war ein ukrainischer Einwohner des Dorfes Podkamień in Tarnopol, eine Vorkriegs-Woiwodschaft der Zweiten Polnischen Republik. Seine ehemalige Schulkameradin Wiktoria Świętojańska hatte einen ruthenischen Hintergrund, war mit einem Polen verheiratet erlebte selber mit, wie zwei Kulturen sich gegenseitig bereichern können. Doch jetzt war sie unter Lebensgefahr – Susła warnte sie: „Nächste Nacht holen sie euch“.
Er versteckte die Frau und ihre Sachen in seinem Fuhrwerk und gemeinsam gelangten sie zum Bahnhof von Brody. Unter harten Winterbedingungen legten sie 30 km zurück in Gebieten, welche ukrainische Nationalisten bereits unter ihre Obhut brachten. Sollten sie gefasst werden, drohte allen Insassen des Fuhrwerks der Tod. Im März 1944 wurden etwa 600 Polen in Podkamień durch ukrainische Nationalisten ermordet, Wiktoria jedoch befand sich zu diesem Zeitpunkt dank Susła bereits in Lemberg.
            Am 15. Juni wurde er, zusammen mit anderen ukrainischen Rettern von Polen, posthum mit der #VirtusEtFraternitas-Medaille ausgezeichnet. Sie wird im Auftrag des Pilecki-Instituts vom polnischen Präsidenten verliehen.
Heute lebt der Geist solcher Menschen in dem von einem unerschöpflichen, unabdingbaren Freiheitswillen geprägten Widerstand der Ukrainer gegen den russischen Angriffskrieg und den von Russland begangenen Kulturgenozid weiter. Schätzungen zufolge (die allerdings aus dem Jahre 2007 stammen) haben im Zweiten Weltkrieg etwa 1341 Ukrainer ihr Leben riskiert und 2527 Polen gerettet. 384 Ukrainer bezahlten dafür wiederum mit ihrem eigenen Leben. An diesem Thema wird weiter geforscht. Es dürften insgesamt also definitiv mehr sein, denn einige der vom Pilecki-Institut ausgezeichneten Ukrainern waren nicht in dieser Statistik enthalten.
Die polnisch-ukrainischen Beziehungen befinden sich aktuell auf einem Höhepunkt. Die Conditio sine qua non dafür, dass das auch so bleibt, sind eine offene Erinnerungskultur auf beiden Seiten und gegenseitige Ehrlichkeit. Die heutige Geste des Botschafters – die erste Kranzniederlegung am Jahrestag des Wolhynien-Massakers des ukrainischen Botschafters seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine 1991 – hat dies nochmals deutlich unterstrichen.
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